Vergangenheitsplay » 8
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Re: Vergangenheitsplay » 8
von Nell am 27.01.2019 16:44Re: Vergangenheitsplay » 8
von Castor am 27.01.2019 19:43Ich zählte die Minuten, die wir uns so gegenüber saßen und das Essen herunterwürgten. Nell hielt erstaunlich lange durch, zumindest wenn man bedachte, was sie sich da grade zu essen zwang. Das letzte Mal, als mir eine Portion Kelpie Schuppen untergejubelt wurde hatte ich nicht so lange durchgehalten. Das war allerdings schon ein paar Jahre her - mit den Jahren war ich vorsichtiger geworden und hatte nicht mehr alles angerührt, was mir vorgesetzt wurde. Jetzt war die Situation natürlich eine ganz andere - weshalb es umso lustiger war, dass Nell jetzt aufsprang und ohne ein weiteres Wort aus dem Raum stürmte. Unsere Eltern starrten ihr ratlos hinterher, während ich vor mich hingrinste und unbemerkt den Bissen, auf dem ich grade herum kaute, wieder auf meinen Teller spuckte. "Restalkohol", meinte ich nur und zuckte mit den Schultern. Gut für mich, dass sie wirklich gestern Abend noch unterwegs gewesen war und ihre späte Ankunft auch noch lautstark angekündigt hatte. Mein Dad würde zumindest diesmal nicht daran denken, dass ihre plötzliche Magenverstimmung etwas mit mir zu tun hatte, und was ihre Mum von mir dachte interessierte mich sowieso nicht. Mit einem siegessicheren Grinsen stand ich auf, nahm sowohl ihren als auch meinen Teller und bewegte mich zur Küche. "Ich schaue mal nach ihr", bemerkte ich großzügig, als ihre Mum Anstalten machte, aufzustehen. Ich schenkte ihr ein übertrieben freundliches Lächeln, während ich das Essen auf beiden Tellern komplett in den Mülleimer kippte.
Während unsere Eltern also ihr Essen fortsetzten, schlich ich mich durch den Flur zum Badezimmer, in dem ich Nell hören konnte. "Ich würde nicht auf deine Haare zielen; ich habe gehört, dass Kelpie Schuppen abfärben. Und du willst doch deine neue Haarfarbe nicht verunstalten", rief ich durch die Tür und lief dann mit einem Grinsen die Treppe hinauf. Als ich das Badezimmer im oberen Stockwerk betrat, konnte ich grade noch die Tür hinter mir abschließen bevor mein Magen sich ebenfalls gegen das eklige Essen wehrte, dass ich heruntergezwungen hatte. Nicht grade das beste Weihnachten, dass ich je gehabt hatte. Aber dafür hatte ich wenigstens jetzt in diesem Kleinkrieg irgendwie gesiegt. Das war es wert gewesen.
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Re: Vergangenheitsplay » 8
von Nell am 27.01.2019 22:22Re: Vergangenheitsplay » 8
von Castor am 28.01.2019 21:16Nachdem ich fast das komplette Abendessen wieder hochgewürgt hatte - Merlin sei Dank! - hatte ich mich in mein Zimmer verzogen, um wenigstens für den Rest des Abends meine Ruhe zu haben. Ich tüftelte an einem Plan, wie ich an Nells Geschenken ein paar Stinkbomben anbringen konnte, bis ich irgendwann, immernoch in den Klamotten, die ich den Tag über getragen hatte, wegdämmerte. Erst spät in der Nacht wachte ich wieder auf, weil ich im Schlaf vom Bett gerollt war. Krächzend rieb ich mir den Hinterkopf, den ich mir an meinem Nachttisch gestoßen hatte. Mein Hals war furchtbar trocken - was nach der ganzen Kotzerei eigentlich kein Wunder war -, aber meine Essensvorräte hatte ich heute Mittag komplett aufgebraucht. Murrend stand ich also auf und schlurfte die Tür herunter Richtung Küche. Als ich grade mindestens einen Liter Wasser direkt aus der Flascher herunterkippte, blieb mein Blick allerdings an unserem Weihnachtsbaum hängen ... oder eher an dem, was davor hockte. Präparierte sie jetzt etwa schon den Baum, um sich irgendwie an mir zu rächen. Leise stellte ich die Flasche beiseite und schlich mich an sie heran, um sie auf frischer Tat zu ertappen.
Allerdings konnte ich schon von ein paar Metern Entfernung sehen, dass sie sich offenbar gar nicht am Baum zu schaffen machte. Erst als ich um sie herum ging sah ich, dass ihre Augen geschlossen waren. Wie im alles in der Welt schaffte sie es, im Sitzen einzuschlafen? Verblüfft betrachtete ich ihr schlafendes, fast friedliches Gesicht. Wenn sie nicht ihren dauergenervten Ausdruck aufgesetzt hatte, sah sie fast unschuldig aus. Fast. Wären da nicht die blauen Haare, die ich ihr verpasst hatte, die im Schein der Lichterketten fast grün aussahen.
Ein - sehr großer! - Teil von mir dachte darüber nach, diesen Moment, in dem sie so schutzlos war, auszunutzen. Ich könnte ihren Augenbrauen den passenden blauen Farbton verpassen, oder - noch besser - ihr direkt eine neue Kurzhaarfrisur verpassen. Der Schock morgen früh wäre bestimmt riesig. Allerdings ließ mich dieser friedliche Gesichtsausdruck zögern - sie hatte schon den Krieg vorhin verloren; vielleicht war sie gar nicht dumm genug, um noch einmal etwas zu versuchen. Wenn ich sie also nicht wieder durch irgendetwas provozierte könnte ich die nächste Woche vielleicht wirklich noch in Ruhe verbringen.
Die Begründung erschien mir einleuchtend, das war sinnvoll. Warum allerdings ich sie jetzt vorsichtig hochhob und sie vorsichtig auf dem Sofa ablegte, konnte ich nicht genau sagen. Mit einer langsam Handbewegung hob ich ihren Kopf mit einer Hand an und schob mit der anderen ein Kissen darunter. Dass sie die kleine Reise aufs Sofa komplett verschlafen hatte verwunderte mich, allerdings war es vielleicht auch besser so. Ich mochte sie zwar nicht besonders, aber ich war kein Unmensch. Und wenn sie nicht wusste, dass ich derjenige gewesen war, der ihr die grauenhaften Nackenschmerzen am Morgen erspart hatte, würde sie auch nicht denken, dass ich irgendwie einen Rückzieher machte. Ich löschte noch das Licht in der Küche, bevor ich mich wieder mit leisen Schritten in mein Zimmer verzog, um wenigstens noch ein bisschen Schlaf zu bekommen.
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Re: Vergangenheitsplay » 8
von Nell am 28.01.2019 22:50Re: Vergangenheitsplay » 8
von Castor am 28.01.2019 23:40Wenn mein Magen am nächsten Morgen nicht immer noch unzufrieden gegrummelt hätte, wäre ich glatt davon ausgegangen, dass ich mir den kleinen Essenskrieg nur erträumt hatte. Obwohl ich nur wenig Schlaf bekommen hatte, war ich doch so ausgeruht wie selten - zumindest bezeugten die Kissenabdrücke in meinem Gesicht von meinem Tiefschlaf. Ich würde auch erst dadurch wach, dass mir der Geruch von Bacon in die Nase stieg, gefolgt von einem lauten Klopfen gegen meine Tür, das nur von meinem Dad stammen konnte. Müde fuhr ich mir durch die Haare, die in alle Richtungen abstanden, gab aber sofort auf, das Chaos auf meinem Kopf beseitigen zu wollen. Hier im Haus war sowieso niemand, den das interessierte. Oder bei dem es mich interessierte, wenn man mich so sah. Weil es der Weihnachtsmorgen war - und vielleicht auch nur, weil ich hoffte, endlich einen neuen Besen unter dem Baum zu finden - machte ich mich auf dem Weg nach unten. Ich ließ mich, genau wie gestern Abend, Nell gegenüber auf den Stuhl plumpsen und griff direkt gierig nach dem Teller mit dem Bacon. Meine Stiefschwester würdigte ich dabei keines Blickes - obwohl ihre blauen Haare zerzaust sogar noch lustiger aussahen als ohnehin schon. Aber es war Weihnachten, und ich hatte mir vorgenommen sie - zumindest heute - in Ruhe zu lassen. Oder eher sie zu ignorieren, damit sie mich auch in Ruhe ließ. Außerdem waren mir die Zaubertrank Zutaten ausgegangen ... wenn sie noch einmal plante, mir etwas unters Essen zu mischen, konnte ich nicht mithalten. Obwohl es im Muggelsupermarkt um die Ecke bestimmt auch genug ekelige Dinge gab, die ihr das Essen versauen würden ...
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Re: Vergangenheitsplay » 8
von Nell am 29.01.2019 01:00Ich hörte die knarzenden Treppenstufen, bevor ich Castor sah. Ich sprang über meinen Schatten und suchte seinen Blick, doch er schien mich wie gewohnt zu ignorieren. Ich presste die Zähne aufeinander und aß weiterhin stumm meinen Toast. Die Anspannung in mir wuchs immer mehr. Ich verstand ihn einfach nicht. Erst diese nette Geste gestern Nacht und jetzt wieder diese Abneigung. Ich hatte die Beine übereinandergeschlagen und schaukelte das obere immer wieder hin und her, bis ich schließlich halb aus versehen, halb beabsichtigt Castors Schienbein traf. Meine Augen weiteten sich überrascht, dann wandte ich den Blick ab und verschwand mit leise gemurmelten Worten den Esstisch. Ich floh nach oben und verbarrikadierte mich in meinem Zimmer. Eine Weile lag ich einfach nur auf meinem Bett und starrte an die Wand. Ich versuchte Tagebuch zu schreiben und gab das schließlich auf. Ich wusste nicht was ich schreiben sollte. Ich konnte meine Gedanken einfach nicht ordnen. Schließlich zog ich mich an. Ich band meine Haare schlicht zusammen, schlüpfte in einen weinroten Rollkragenpullover und ging die Treppe hinunter in den Flur. Ich zog mir meinen Mantel an und streifte meine Winterstiefel über und ging nach draußen in die klirrende Kälte. Ich liebte das knirschende Geräusch unter meinen Sohlen als ich durch den Schnee lief. Ich hielt mein Gesicht direkt in die Sonne und genoss die Wärme auf meiner Haut. Ich hob eine Hand voll Schnee auf und formte ihn zu einem Schneeball. Es war eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich eine Schneeballschlacht gemacht hatte. Dabei war es sicher ein befreiendes Gefühl den ganzen Frust auf diese Weise loszuwerden. Ich wäre ihn probeweise in die Luft und fing ihn wieder auf. Vom Küchenfenster hörte ich Castors Vater rufen. "Na, Lust auf eine Schneeballschlacht bekommen?" Er lachte amüsiert. "Mein Junge liebt das!" Er wandte den Kopf wieder in das innere des Hauses. "HE CASTOR, KOMM DOCH MAL!" brüllte er, ehe ich etwas erwidern konnte. Entsetzt sah ich dabei zu wie sein Dad ihn dazu nötigte sich wintersachen anzuziehen und mit mir in den Garten zu gehen. Ich könnte nicht einmal in Worte fassen, wir sehr ich diesen Mann hasste. Er hätte diesen Schneeball mitten ins Gesicht verdient. Oder gleich eine Lawine. Das ganze war mir höchst unangenehm, erst recht als sich meine Mutter ebenfalls aus dem Fenster lehnte und die beiden uns begannen anzufeuern. Meine Wangen färbten sich dunkelrosa und ich musste mich sehr zusammenreißen nicht auszurasten. Mein Blick wanderte zu Castor. Andererseits bekamen wir irgendwie offiziell die Erlaubnis uns mit Gegenständen abzufeuern. Ich zuckte also mit den Schultern und formte mit meinen beinahe tauben Händen einen weiteren Schneeball, den ich auf Castor abfeuerte. "Das ist für meine Haare!" Zischte ich so laut, dass gerade mal er es hören konnte. Aber eigentlich sagte ich es nur zu mir. Denn die blauen Strähnen die mir die ganze Zeit um den Kopf wirbelten waren Grund genug für das hier.
Re: Vergangenheitsplay » 8
von Castor am 29.01.2019 22:47Das Frühstück verlief sogar einigermaßen ruhig, bis ich unter dem Tisch auf einmal einen festen Tritt gegen mein Schienbein spürte. Da ich nicht vermutete, dass mein Dad dafür verantwortlich war - das war nicht seine Art -, flackerte mein Blick sofort wütend zu Nell. Konnte sie mich nicht einmal am Weihnachtsmorgen in Ruhe lassen? Vielleicht hätte ich ihr gestern Nacht doch die Augenbrauen färben sollen ...
Als sie dann aufstand sah ich ihr kurz irritiert hinterher, widmete mich dann aber wieder meinem Frühstück. Aus Mädchen würde ich ohnehin nie schlau werden, und Nell war noch seltsamer als alle anderen Mädchen, die ich je getroffen hatte. Ich half noch kurz den Tisch abräumen - aber auch nur, weil Weihnachten war -, bevor ich mich nach oben verzog. Ich wartete auf ein paar Briefe von meinem Freunden, die jetzt sicher grade noch in der Großen Halle saßen und Knallbonbons öffneten. Seufzend sah ich aus dem Fenster und sah nach einiger Zeit, wie Nell dick eingepackt durch den Schnee stiefelte. Nur ein paar Sekunden später hörte ich meinen Vater rufen und in mein Zimmer stapfen. "Ich will aber nicht", knurrte ich ihn an, musste mich aber geschlagen geben. Obwohl ich mittlerweile sogar größer war als er, zwang er mich irgendwie dazu, meine dicke Daunenjacke anzuziehen.
Mit dem wahrscheinlich finstersten Gesichtsausdruck, den ich in diesen Ferien aufgesetzt hatte, stapfte ich durch den Schnee auf Nell zu. Wen von beiden ich grade mehr hasste, konnte ich gar nicht sagen. Mein Dad war zwar auf die dumme Idee gekommen, eine Schneeballschlacht anzuzetteln, um unsere 'Geschwisterbindung' zu stärken, aber sie hatte ihn doch erst auf die Idee gebracht.
Ihr Schneeball traf mich gegen die Brust, wo der Schnee teilweise am Reißverschluss meiner Jacke hängen blieb. Verärgert wischte ich die Reste weg, bückte mich dann und formte ebenfalls einen Schneeball. "Das Blau steht dir sowieso viel besser", erwiderte ich zischend, zielte und traf sie an der Schulter, sodass ein Teil des Schneeballs in ihren Schlumpfblauen Haarsträhnen hängen blieb. Ob ihr wohl klar war, dass ich im Quidditchteam der Ravenclaws war und deshalb eine sehr hohe Trefferquote hatte? Diesen Kleinkrieg wollte sie vielleicht lieber nicht führen ...
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Re: Vergangenheitsplay » 8
von Nell am 30.01.2019 22:13Re: Vergangenheitsplay » 8
von Castor am 31.01.2019 00:30Als mein Dad sich wieder ins Haus verzog, hätte ich ihm am liebsten einen festen Schneeball hinterher geworfen. Es war immerhin seine Schuld, dass ich hier draußen und unter aggressive, Schneeballbeschuss stand (auch wenn der definitiv nicht annähernd so erfolgreich war wie mein eigener). Aber wenn die gierigen Adleraugen unserer Eltern endlich verschwanden, die so erpicht darauf waren, dass wir endlich eine geschwisterliche Beziehung aufbauten, könnte ich vielleicht für ein paar Stunden verschwinden, um den restlichen Feiertag lang meine Ruhe zu haben. Ich wollte grade zum alles entscheidenden Wurf ansetzen, als Nell ausrutschte und sich mit einem filmreifen Fall in den kalten Schnee selbst ins Aus katapultierte. Für einen Moment lang vergaß ich, meine finstere Miene aufrecht zu erhalten und prustete lautlos, weil ihr Sturz so unglaublich tollpatschig und lustig ausgesehen hatte. Ein extrem schlechter, aber witziger Wortwitz lag mir auf der Zunge, aber ich hielt inne. Warum rührte sie sich auf einmal nicht und blieb einfach legen? So wie ich sie in den letzten Tagen kennen gelernt hatte, hatte ich damit gerechnet, dass sie sofort aufsprang und ihren eigenen Fehler damit ausbügelte, mich unter Dauerbeschuss innerhalb kürzester Zeit in einen Schneemann zu verwandeln. Aber sie stand nicht auf, sondern versteckte ihr Gesicht hinter ihren Handschuhen.
"Alles in Ordnung?", fragte ich vorsichtig und ließ den Schneeball fallen, den ich noch immer festhielt und der meine Hand durch seine Kälte mittlerweile komplett betäubt hatte. Zögerlich ging ich auf sie zu, immer bereit, sofort einen Satz zurück zu machen. Das konnte immer noch eine Falle sein, obwohl sie selbst dann noch im Nachteil wäre. Trotzdem streckte ich die Hand aus und zog leicht an ihrem Arm, um ihr hochzuhelfen. "Wenn du vorhast hier liegen zu bleiben muss ich dich leider enttäuschen: Du wirst entweder zugeschneit oder dich extrem erkälten. Und nach diesen Ferien kann ich es nicht auch noch gebrauchen, dass du mich bis zum Schuljahresbeginn vollrotzt ...", murmelte ich vor mich hin, aber nicht in dem gleichen grimmigen Tonfall wie sonst. Ich begann mir tatsächlich irgendwie Sorgen zu machen. Wie lächerlich ...
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