Suche nach Beiträgen von Hazel

Vielleicht war mein Körper auch einfach nicht mehr ganz in Bestform nach dem Schlafmangel der vergangenen Nacht. Meine Augenringe mussten vom Mond aus sichtbar sein... Ein zweiter Kaffee wäre vielleicht nicht die schlechteste Idee.

Ich fing mich gerade noch so und war froh, nicht in den Besenstapel zu fallen und womöglich noch etwas zu zerstören. Dann müsste ich nämlich wirklich annehmen, dass ein Fluch auf mir ruhte. Ich drehte mich um und stand plötzlich in unmittelbarer Nähe von jemandem, erschrak total weil ich ihn nicht kommen gehört hatte und stolperte zurück und fiel beinahe erneut fast in den Besenstapel. "Hey..." gab ich zurück und fasste mir unwillkürlich ans Herz. Wow, ich war echt schreckhaft geworden. "Also du solltest lieber ein Glöckchen tragen, damit man dich hören kommt." murmelte ich und schüttelte kurz den Kopf. "Aber jetzt bin ich wenigstens wach." fügte ich hinzu und wippte auf den Füßen und lächelte kurz. Fast hatte ich vergessen, dass ich ja gute Laune hatte. Oder haben sollte.

"Ich will einen neuen Besen kaufen!" verkündete ich also feierlich auf sein Angebot, wie der letzte Idiot. Er konnte ja nicht wissen, was das genau das für mich bedeutete. Ich war ja nur ein von vielen Kunden. Naja momentan war ich hier zwar die Einzige, aber das würde sich bestimmt bald ändern. Wie spät war es jetzt eigentlich? Dem Anblick meines Gegenübers nach zu urteilen war es früher als 6 Uhr morgens. Oh Merlin, ich sah bestimmt genau so fertig aus. Nur stand mir das sicher nicht mal halb so gut wie ihm.

Weihnachten war die besinnlichste Zeit im Jahr. So war es für die meisten Menschen und ganz besonders für mich. Es war schön in die Heimat zurückzukehren, zu der Familie und zu der gewohnten Umgebung. Das half mir immer wieder mich daran zu erinnern wo ich herkam und wer ich mal war. Mittlerweile wusste ich das selbst nämlich gar nicht mehr genau. Nach allem was passiert war, war ich zu einem riesigen Trauerkloß mutiert und mich von meinem gewohnten Umfeld abgeschottet. Ich hatte sämtliche Freundschaften vernachlässigt, insbesondere die zu meinen zwei besten Freunden. Ich nahm ihnen nicht übel, dass sie irgendwann aufgegeben hatten den Kontakt zu suchen, irgendwann war es mir auch einfach recht gewesen.

Als ich in diesem Dezember in meine kleine Heimatstadt zurückkehrte und durch einem Impuls folgend mitten in der Nacht begann mein Zimmer auszumisten, machte es endlich Klick. Ich begann mich von vielen Sachen zu trennen und ordnete dabei meine Gedanken. Die ganze Nacht lang war ich wach und als die Sonne endlich aufging, schien auch ich endlich wach geworden zu sein. Ich wollte nicht mehr niedergeschlagen sein. Ich wollte wieder annähernd so aussehen wie auf den etlichen Fotografien die ich gefunden hatte, darunter einige die Tony gemacht hatte. Ich würde mein Leben wieder aufräumen. Nach monatelanger Antrieblosigkeit, verspürte ich neue Energie in mir aufsteigen. Ich schrieb Gabriella das erste Mal seit langem einen ellenlangen Brief. Ich hätte nicht gedacht, dass sie es war die mir öfter schrieb, aber so war es tatsächlich.

Danach zählte ich mein Erspartes gründlich durch und begann wild zu rechnen. Dieses Vorhaben stand schon ewig auf meiner Liste und jetzt würde ich das endlich abhaken. Mein Rennbesen war in Ordnung, gute Mittelklasse würde ich sagen, aber damit wollte ich mich jetzt nicht mehr zufrieden geben. Ich hatte das Training sehr vernachlässigt, wie so vieles Andere. Jetzt wollte ich das wieder aufgreifen und das Beste aus mir herausholen und was würde sich da besser als Neustart eignen als ein neuer Besen?

Ich sprang unter die Dusche und tüftelte einen Zeitplan aus, sodass ich rechtzeitig wieder hier sein konnte. Ich schlüpfte in eine dunkle Jeans und einen tiefroten Rollkragenpullover, das Erste was ich zu fassen bekam, und stürzte dann die Treppen hinunter ins Wohnzimmer. Ich hatte damit gerechnet, dass meine Moms noch schlafen würden, also schrieb ich ihnen schnell einen Zettel, dass ich spätestens am Abend wieder da sein würde. Meine Fingerspitzen kribbelten aufgeregt bei dem Gedanken in wenigen Stunden schon einen neuen Besen in den Händen zu halten.

Es war immer noch recht früh, als ich den Laden für Rennbesen betrat, in dem ich das letzte Mal vor gefühlt hundert Jahren gewesen war. Bei dem Geruch nach Holz, Lackierungen und Polierungen empfand ich tatsächlich ein Gefühl von Geborgenheit, obwohl mein 11 jähriges Ich an diesem Ort sicher die Nase gerümpft hätte. Mein jetziges Ich holte extra tief Luft und wusste gar nicht so genau wo es als Erstes hingucken sollte. Beim vorwärts Laufen drehte ich mich immer wieder um meine eigene Achse und wandte meinen Kopf sogar nach oben, in einem Tempo was sicherlich nicht gesund war, denn im nächsten Moment begann ich zu straucheln und fiel beinahe in eine Reihe von Sauberwisches. "Huh.." machte ich, bevor ich mein Gleichgewicht gerade noch wieder fand. Ich war sonst alles andere als ein Tollpatsch, aber mein Übermut ließ sich kaum stoppen.

Mir war bewusst, dass mein Anblick und meine Reaktion auf ihn wohl sehr skurril wirken musste. Deshalb wunderte es mich auch, dass er so ruhig blieb und mir einfach antwortete. Ich an seiner Stelle hätte vermutlich schon die Flucht ergriffen oder hätte ganz offen gefragt warum ich so seltsam war. Aber stattdessen verriet er mir seinen Namen. Henry. Ich schluckte schwer und schüttelte kaum merklich den Kopf. Warum hatte ich eigentlich gefragt? Hatte ich mir ernsthaft etwas aus seiner Antwort erhofft? Ich presste die Lippen aufeinander und wandte meinen Blick für einen Moment ab um meine Enttäuschung und den Schmerz zu verbergen.

Ich atmtete tief durch und fasste mich wieder. "Hazel." antwortete ich mit leise, sodass meine Worte beinahe vom Wind verschluckt wurden. Ich richtete mich etwas mehr auf und ein schüchternes Lächeln trat kurz über meine Lippen. "Tut mir leid für mein Auftreten. Du siehst nur jemandem schrecklich ähnlich den ich...mal gekannt habe." erklärte ich mein Verhalten und ignorierte den Schmerz in meinem Innern. Jetzt, wo ich mit Sicherheit wusste, dass es nicht Tony war und dass dieser Henry real war, viel es mir schwerer ihn anzusehen.

Ich strich mir die Haare zurück und sah ihn dann doch wieder an. Ich konnte gar nicht anders. Ich fragte mich unwillkürlich ob es sich genau so anfühlte ihn zu berühren wie bei Tony.

Ich schüttelte den Gedanken ab und bekämpfte die Röte in meinen Wangen. "Davon abgesehen...Die Sperrstunde hat tatsächlich schon angefangen also sollten wir am Besten nicht den Haupteingang zurücknehmen, sonst bekommen wir noch Strafarbeiten und darauf kann ich gleich am Beginn des Schuljahres gut verzichten." Themawechsel. Ich wollte dem Fremden nicht gleich auf die Nasebinden, dass er haargenau so aussah wie mein verstorbener Freund...

Ich fühlte mich unbehaglich, während ich ihm nachging, aber die Neugierde und das Verlangen siegten schließlich. Es war unheimlich. Als ob er von den Toten wieder auferstanden war. Ich hatte Zombieromane und Filme schon immer gemocht, aber ich wollte keinesfalls, dass es sich als mein Leben herausstellte.

Ich stand schließlich im Schatten und wagte nicht einmal zu blinzeln, weil ich Angst hatte sein Anblick würde verschwinden. Ich fröstelte und zog meine dünne Jacke enger um mich herum. Der Junge, wer auch immer er war, steckte sich eine Zigarette an und ich kräuselte unwillkürlich meine Nase. Tony hatte nicht geraucht, das hätte er auch niemals, da war ich mir sicher. Dennoch konnte ich mich nicht einfach abwenden und gehen, so sehr ich es auch wollte. Ich konnte nichts dagegen tun, als mir heiße Tränen in die Augen schossen.

Ich verlor jedes Zeitgefühl, während ich so dastand und nicht-Tony anstarrte. Und dann drehte er sich um, als habe er meinen Blick gespürt und sah mir direkt ins Gesicht. Für einen Moment spürte ich wie meine Gesichtszüge entgleisten, bevor ich mich wieder fassen konnte. Die Ähnlichkeit jagte mir einen Schauer über den Rücken und als er Sprach, hallten Tonys letzte Worte in meinem Kopf. Er war nicht Tony. Es gab deutliche Unterschiede. Wie er sprach, was er sagte, wie er sich bewegte. Und trotzdem zog es mich einfach zu ihm hin.

Ich presste die Lippen aufeinander und ging langsam auf ihn zu, als er sich ebenfalls auf mich zubewegte. Vielleicht sollte ich mich ertappt fühlen, doch ich war viel zu gefesselt von seinem Blick, der so viel dunkler war als der von Tony. Ich schüttelte auf seine Frage den Kopf. Ich brachte noch kein Wort heraus. Vertrauensschüler hätten ihn schon sehr viel eher aufgehalten.

Als wir uns schließlich gegenüberstanden, neigte ich meinen Kopf und erwiderte seinen musternden Blick. Es war wirklich unheimlich. Meine Hände zitterten leicht und ich verschränkte sie schnell ineinander um das zu kaschieren. Ich überging seine weiteren Fragen ebenfalls und runzelte leicht die Stirn. "Wer bist du?" fragte ich leise und ein wenig heiser. Ich brauchte all meine Widerstandskraft um nicht die Hände nach ihm auszustrecken.

Ich konnte mich noch ganz genau an das kleine Figürchen aus meiner Kindheit erinnern. Es war ein hölzerner Dalmatiner mit einem roten Halsband und einem stetig lächelnden Gesicht. Als Kind hatte ich ihn immer und immer wieder zum einknicken gebracht, doch er hatte sich jedes Mal wieder nach oben gekämpft und mich aus großen Hundeaugen fröhlich angesehen. Es hatte mir Spaß gemacht ihn immer wieder auf den Boden zu drücken und zu beobachten wie er es anstellte wieder aufrecht zu stehen. Später fand ich heraus, dass es ein Steh-auf-Männchen war und meine Moms erzählten mir, dass man im Leben immer wieder aufstehen musste, wenn man am Boden war. Auch wenn es einem nicht halb so leicht fallen mag wie diesem kleinen Hund. Ich hatte diesen Rat in den letzten 1 1/2 Jahren oft im Kopf gehabt und mich so gut es ging daran gehalten. Aber mittlerweile hatte ich das Gefühl, eine unsichtbare Hand würde mich immer und immer wieder mit eisernem Griff auf den Boden drücken. Das einzige was ich tun konnte, war nach Luft zu schnappen und zu hoffen, dass der Schmerz bald nachlassen würde.

Aber Tonys Tot schien mir den Rest gegeben zu haben. Die eine Hälfte der Sommerferien hatte ich an seinem Krankenhausbett verbracht, die zweite Hälfte in meinem eigenen dunklen Zimmer. Meine Moms mussten mich schließlich zwingen nach Hogwarts zu gehen. Ich hatte nicht wieder herkommen wollen. In den letzten Monaten hatte ich mehr und mehr Erinnerungen mit Tony an diesem Ort geschaffen und ich wusste nicht ob ich es aushalten könnte jetzt durch diese Korridore ohne ihn zu gehen.

Immer wenn ich meine Augen schloss sah ich sein herzliches, liebevolles Gesicht vor mir. Es machte mich wahnsinnig. Ich hatte das Gefühl mein Leben war verflucht.

Und als ich schließlich an meinem Haustisch Platz nhm und geistesabwesend meinen Blick durch die große Halle gleiten ließ, verstärkte sich dieses Gefühl nur noch. Wie elektirisert saß ich auf meinem Platz und starrte an den Tisch für die Austauschschüler. Dieser Junge hatte Tonys Gesicht. Er hatte sein Profil, seinen Rücken und auch ein wenig die Art wie er sich bewegte. Ich blinzelte mehrmals, sah jedoch nicht weg. Ich wurde tatsächlich verrückt.

Nach der Feier trugen mich meine Füße ganz automatisch hinter dem Schüler her. Mir fielen Details auf. Unterschiede. Ganz feine, aber sie waren da.

Ich folgte ihm bis zum See und blieb in einiger Entfernung stehen. Ich war geschockt und sprachlos und misstrauisch. Aber vor allem verspürte ich tiefe Sehnsucht.

Ich wollte nicht die Augen verdrehen, das wollte ich wirklich nicht. Dennoch tat ich es. "Ich denke nicht, dass das so einfach ist. Nur darüber zu reden wird nichts ändern. Ich hab im letzten Jahr wirklich sehr viel erlebt und hab oft mit Menschen darüber gesprochen. Das einzige was wirklich hilft ist Zeit. Wenn wir Glück haben dauert es nicht allzu lange, aber wenn wir Glück hätten, hätten wir das niemals durchstehen müssen." sagte ich mit bitterem Unterton in der Stimme. Tony war tatsächlich das einzig Gute, was in letzter Zeit in meinem Leben geschehen war. Sonst nichts. Gabriella kam, Gabriella ging weg. James hatte sich ebenfalls entfernt und das Verhältnis zwischen mir und Andrew und Dorcas hatte sich auch verändert. Ich hatte das Gefühl mir war kaum noch etwas Gutes geblieben und dann kam auch noch die Entführung. Aber ich hatte keine Lust mehr herumzuheulen und mich dem hinzugeben. Die Wut meldete sich wieder in mir. Der Sinn nach Rache mischte sich dazu. Ich war immer ein sehr friedfertiger Mensch gewesen, doch all das hatte mich schrecklich verändert.

Ich presste die Lippen aufeinander. Ich wollte auch nicht darüber nachdenken was da passiert war. Ich wandte mich ab, als ich Castors Blick auf mir spürte. Die innere Unruhe war wieder da. Ich stand auf und stützte mich gegen das Geländer. "Hat dich das verändert? Denn ich fühle mich die meiste Zeit nicht mehr wie ich selbst. Als ob ein Teil von...ihr... immer noch in mir wäre." ich runzelte die Stirn und schloss angestrengt die Augen. Am liebsten wollte ich schreien. Meine Hände begannen zu zittern. Ich zog meine Ärmel länger und versteckte sie. "Wir haben nichts verändert und vermutlich wird sich auch nie etwas ändern. Alle versuchen so weiterzumachen, als wäre nichts geschehen, obwohl schon morgen das nächste Unglück passieren könnte." sagte ich leise, aber laut genug, dass er es hören konnte.

Es war schon komisch, dass ich die Frage wie es mir denn ginge, mittlerweile mühelos mit einer Lüge beantworten konnte. Noch vor einem Jahr wäre das nicht so einfach gegangen. Aber das letzte Jahr hatte mir genug Übung darin gegeben mein Inneres zu verbergen. Denn eigentlich interessierte es ja kaum jemanden. Sie wollten nicht mit meinen kleinen Dramen und Ängsten belastet werden. Zu fragen war reine Höflichkeit. Natürlich ging das nicht für alle. Dorcas und Andrew waren ja immer für mich da gewesen und auch Sirius hatte mir bei James um einiges weitergeholfen. Und nun hatte ich auch das Gefühl mit Tony darüber reden zu können. Indirekt tat ich das ja auch. Ich erzählte ihm wie ich mich fühlte. Aber über die Geschehenisse im Detail hatte ich mit niemandem gesprochen. Ich wusste auch nicht ob ich dazu in der Lage wäre. Aber Cas wusste genau was passiert war.

Als wir uns umarmten, fühlte ich mich für einen Moment wieder in diesen Raum zurückversetzt in dem all das geschehen war und ganz kurz spürte ich dieselbe Angst hochkommen. Schnell erinnerte ich mich daran, dass wir es alle überstanden hatten. Halbwegs. Nicht ganz so unversehrt wie es denn Anschein hat. Meine Mundwinkel zuckten ein wenig. Der Versuch eines Lächelns. Es war wirklich lieb, dass er nach mir gesucht hatte. Ich setzte mich neben ihn, sah jedoch hinaus auf das Spielfeld. Ich schüttelte auf seine Frage den Kopf und biss mir auf die Unterlippe. "Nicht im Detail..." sagte ich leise und schluckte. "Ich denke ich könnte darüber reden, aber ich möchte nicht. Das macht es irgendwie real. Bisher kommt es mir nur so vor wie ein böser Traum, der mir noch im Hinterkopf herumspukt..." sagte ich leise und stützte mein Kinn auf den Händen ab. Hier auf den Tribünen saß ich vor ein paar Tagen auch mit Tony. Es hatte geholfen mit ihm zu reden, aber das war längst nicht mehr so. Ich warf einen kurzen Blick zu Castor. "Was ist mit dir? Hast du darüber mit jemandem gesprochen?" fragte ich leise und fröstelte automatisch.